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Gefangen im Glaubenslabyrinth

Drei Frauen. Drei Leben. Drei Vergangenheiten. Drei Geschichten und ein Ort.  Ein Ort und ein Konflikt, der so lange geht, dass er fast schon unlösbar erscheint. Ein Konflikt, der seit Jahrzehnten und über Generationen ausgetragen wird. Und ein Konflikt, der so vergangen aber gleichzeitig auch so aktuell ist, dass wir ihn immer wieder aus den Augen verlieren. Dieser Nahostkonflikt ist für uns so weit weg, aber die Grundproblematik kennen wir doch alle. Ein endloser Kreislauf, der nie enden will, sondern einen mit jeder Umdrehung nur noch tiefer in das Geschehen hineinzieht.

Gerade mit diesem Konflikt befasst sich Stefan Massimis Stück "Ichglaubeaneineneinzigengott" in der Inszenierung von Thorsten Weckerlin am LTT.

Wir sind mitten im Krisengebiet und sehen drei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, aber ein gemeinsames Schicksal teilen. Diese Frauen, die alle von Franziska Beyer gespielt werden, sind es, die uns auf ganz verschiedene Weise einen Einblick in dieses Geschehen geben und damit mit sich in ihre Welt ziehen.

 

Bild: Sigmund/ LTT;    Franziska Beyer
Bild: Sigmund/ LTT; Franziska Beyer

Zum einen sehen wir die Israelin Eden Golan, welche die jüdische Geschichte lehrt und sich für den friedvollen Diskurs zwischen den Parteien einsetzt, auf der anderen Seite sehen wir die junge Palästinenserin Shirin Akhras, die als Märtyrerin in einem Selbstmordattentat für ihre Überzeugungen sterben möchte. Zwischen diesen beiden Positionen steht die Amerikanerin Mina Wilkinson, die als Soldatin in Israel stationiert ist und zwischen Gut und Böse entscheiden muss, in einem Kampf, der keines von beiden ist.

Diese drei Welten werden uns abwechselnd präsentiert. Zunächst werden wir langsam, Stück für Stück in die Ansichten der Frauen eingeführt. Dieser Wechsel zwischen den Figuren funktioniert durch einfache Mittel und doch wissen wir zu Beginn der Inszenierung sofort, welche der drei Frauen in dem jeweiligen Moment zu uns spricht. Franziska Beyer schafft es auf beeindruckende Weise mit einem einfachen Tuchwechsel innerhalb von Sekunden, sich das Wesen der sprechenden Figur einzuverleiben. Durch ihre detaillierte Darstellung der Körpersprache, Sprechweise und Gefühlswelt der Figuren entsteht eine Elektrizität und Nähe, die einen manchmal fast schon vergessen lässt, dass alle Figuren von nur einer Schauspielerin dargestellt werden. 

Diese Nähe, die auch der Spielort der LTT oben Bühne liefert, ist für die Thematik des Stückes zentral, denn der Konflikt liegt für uns an manchen Stellen in so unfassbar weiter Ferne, dass wir ihn ganz nah heranholen müssen, um die Verbindung nicht zu verlieren.

Die anfänglich behutsame Einführung der Protagonistinnen wird schnell zu einem rasanten Wechsel, als sich die Ereignisse überschlagen. Nach einem Attentat steigt die Unsicherheit Golans und die Frage, inwiefern ihre eigenen Ansichten den Drang nach Sicherheit überwinden können.

Auch Shirin Akhras muss sich mehren Proben stellen und steht dabei der Frage gegenüber, wie weit sie für ihre Überzeugungen gehen würde. Diese beiden Frauen scheinen so unterschiedlich und sind doch irgendwie gleich, während wir den inneren Kampf jener mit sich selbst sehen, verschwimmen die Grenzen der Figuren und wir sehen diese beiden fast schon spiegelbildartig agieren und sprechen.

Die Angst, Verzweiflung und Wut wird durch die Einfachheit der Bühne (Bühne & Kostüm Kay Anthony) und die Wahl der wenigen Requisiten verdeutlicht, denn durch vereinzelte Wände, Videoeinspieler oder den Einsatz von Kreide gewinnt man zunehmend den Eindruck eines Labyrinthes, aus dem ein Entkommen unmöglich erscheint.

Sei es nun das innere Labyrinth der Figuren oder der verworrene Konflikt zweier Parteien, am Ende fragen wir uns selbst, wie breit die Grenze ist und ob sie jemals schmaler wird, doch von außen sieht man die tatsächliche Breite der Grenze nicht und so fällt schließlich der Schuss.

Thorsten Weckherlins Inszenierung zieht uns in eine atemlose Reise, die teilweise bedrückend und albtraumhaft wirkt und einem viel zu deutlich wieder klar macht, dass wir keiner Fiktion gegenübersitzen, sondern einem Konflikt, der sich nicht um das Individuum kümmert, sondern um die Masse.

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